Man schätzt, dass auf der Überfahrt etwa 5 Millionen Sklaven umgekommen sind. Notiere mögliche Ursachen!
An Bord
trugen die katastrophalen Lebensbedingungen zu einer sprunghaften Erhöhung der
Selbstmordrate bei.
"Viele unglückliche Kreaturen ergriffen die erste Gelegenheit, um sich über Bord zu stürzen
und auf diese Weise ein unerträgliches Leben zu beenden." Die Schiffe mussten schließlich
mit besonderen Vorrichtungen versehen werden, um die Sklaven daran zu hindern, über
Bord zu springen.
Eine weit verbreitete Methode des Selbstmords war der Hungerstreik. Ein französischer
Handelsagent berichtete, "dass viele der Sklaven, die wir von Guinea nach Amerika
transportieren, von der Meinung besessen sind, dass sie wie Schafe zum Schlachten
gebracht werden und dass die Europäer ihr Fleisch lieben; diese Vorstellung wird bei einigen
so beherrschend, dass sie in eine tiefe Melancholie und Verzweiflung verfallen und jegliche
Nahrung verweigern, obwohl sie niemals so sehr genötigt und sogar geschlagen wurden, um
sie zu zwingen, etwas Nahrung zu sich zu nehmen; all dessen ungeachtet pflegen sie sich
zu Tode zu hungern."
Wo Peitsche und Quälereien versagten, hatte man ein bestialisches Instrument namens
"speculum oris" zur Hand, eine Art Mundöffner. Es handelte sich um ein Gerät, das sich
mittels zweier Stile wie eine Zange öffnen ließ. Dem Opfer wurde zunächst die Nase
zugehalten, dass es zum Atmen kurz den Mund öffnen musste. In diesem Augenblick schob
man ihm blitzschnell das "speculum oris" zwischen die Zähne. Man konnte nunmehr seinen
Mund gewaltsam öffnen und ihm flüssige Nahrung einflößen. Die Sklavenrevolten während
der Überfahrt nahmen eine wüste Brutalität an, von deren Schrecken die Bordbücher
berichten. Im Allgemeinen scheiterten sie, endeten aber stets mit einigen Toten. Es geschah
nicht selten, dass mehrere Männer lebend ins Meer geworfen wurden. Im Bordbuch eines
französischen Offiziers liest man:
"Gestern um 8 Uhr banden wir die Neger, die die meiste Schuld trugen, an allen vier
Gliedern bäuchlings auf Deck fest und ließen sie auspeitschen. Dann prügelten wir ihre
Gesäße, um ihnen ihre Vergehen recht fühlbar zu machen. Nachdem ihre Hintern blutig
geschlagen waren, streuten wir Schießpulver in die Wunden, träufelten eine Mischung aus
Zitronensaft, Salzlake und gestoßenem Pfeffer hinein und kneteten die Hinterbacken tüchtig
durch, damit kein Wundbrand entstünde, aber auch damit der Schmerz umso empfindlicher
sei. Den Anführer haben wir in Eisen gelegt und mit Handschellen gefesselt. so mag er dann
verschmachten und sterben."
An Bord des Sklaventransporters wurden die Gefangenen noch einmal untersucht und es
wurde streng darauf geachtet, dass sie keine ansteckenden Krankheiten hatten, um nicht die
gesamte Ladung während der Überfahrt zu 'verderben'. Dann wurde die gesamte Ladung
unter Deck eingeschlossen. Die Frage, in welchem Verhältnis zur Größe des Schiffes die
Zahl der an Bord genommenen Sklaven zu stehen hätte, gab Anlass zu einem regelrechten
Meinungsstreit unter den Kapitänen, wo es ausschließlich um Rentabilitätserwägungen ging.
Die loose-packers argumentierten, dass, indem sie den Sklaven ein wenig mehr Raum
gäben- sie die Todesrate unter ihnen senkten und in Westindien eine besseren Preis für
jeden Sklaven erzielten. Die tight-packers entgegneten, dass obwohl der Verlust an Leben
auf jeder ihrer Reise größter sein mochte- so doch auch die Nettoerträge einer größeren
Ladung größer wären. Wenn viele der Überlebenden schwach und abgezehrt wären, dann
könnten sie in einem westindischen Sklavenhof wieder gemästet werden, bevor man sie zum
Verkauf böte. In der Tat fütterten die Sklavenhändler nach der Ankunft die Sklaven wieder
heraus, ließen sie baden und sich erholen und ihre Geschwüre ausheilen. Hatte man sie auf
diese Weise aufgefrischt, waren sie fertig zum Verkauf an die Grundbesitzer.
Bei den tight-packers wurden die Sklaven auf so engem Raum gelagert, dass sie noch nicht
einmal ganz aufrecht sitzen konnten. Sie wurden nebeneinander in zwei Reihen auf jeder
Seite des Schiffes gelegt. In dem schmalen Zwischenraum zwischen ihren Köpfen wurden
andere Sklaven in Längsrichtung untergebracht. Auf diese Weise war das Schiff sozusagen
zum Platzen gefüllt. Die zur Schiffsbesatzung gehörenden Zimmerleute sicherten die Pferche
der Sklaven, und die Ladeluken wurden durch Vorhängeschlösser und Eisenroste
abgesichert, während man die Bullaugen versperrte. Die Männer waren von den Frauen
durch nagelgespickte Holzwände getrennt. Die Situation der unter solchen Bedingungen auf
engstem Raum eingepferchten Menschen wurde schon nach kürzester Zeit unerträglich.
Unzureichende Ventilation, mangelnde Gelegenheit zu jeder entspannenden Bewegung,
katastrophale hygienische Verhältnisse und alles in der feuchten tropischen Klimazone der
westafrikanischen Küste, all dies trieb die Todesrate unter den Sklaven in furchtbare Höhen.
Die häufigsten Krankheiten an Bord waren Skorbut, Ruhr und eine "Pian" genannte
Hautentzündung. Unter Deck herrschte die Hölle: "Die Hitze ist dann so groß, dass der
Wundarzt nur völlig nackt darin einige Minuten sich aufhalten kann. Der Boden war auf das
scheußlichste mit dem den Kranken abgegangenen Blut und Schleim bedeckt, er glich einem
Schlachthaus. Der pestilenzialische Geruch warf eine große Zahl der unglücklichen, noch
nicht infizierten Neger in Ohnmacht. Männer, welche abends völlig gesund in das untere
Verdeck hinab stiegen, zog man morgens als Leichen hervor. Eine grauenvolle Szene
gewährt sodann die Sklavenkammer. Auf dem scheußlich gefärbten Boden schleppen sich
die aneinander Gefesselten gleichsam zu den Ausleerungsgefäßen hin; die durch ihre Eisen
Verwundeten schreien; die Wahnsinnigen toben; die stiller Leidenden winseln; die
Sterbenden röcheln und die diesen Angeschmiedeten macht der Geruch ihres
verscheidenden Mitbruders wahnsinnig."